Amtliche Mitteilungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

BAuA 4/1999 S.8 (Teil 1)
BAuA 1/2000 S.6 (Teil 2)

Gefahrstoffe

Künstliche Mineralfasern -aktuelle Arbeitsschutzvorschriften und Handlungshilfen (Teil 1)


Produkte aus künstlichen Mineralfasern (KMF) können zu Faserstaubbelastungen am Arbeitsplatz führen. Als Faserstäube, die manchmal auch als WHO-Fasern, Fasern kritischer Abmessung oder vereinfachend als lungengängige Fasern bezeichnet werden, gelten nach international geltender Konvention Partikel, die

Die seit Anfang der achtziger Jahre geführte Diskussion über eine krebserzeugende Wirkung biobeständiger Faserstäube hat eine Vielzahl von Aktivitäten zur Verbesserung des Arbeitsschutzes ausgelöst. Hieraus resultierte eine kaum noch überschaubare Flut von Veröffentlichungen, Regelungen und Handlungshilfen. Doch vieles ist inzwischen überholt, nicht zuletzt durch die beachtlichen Erfolge bei der Entwicklung von Faserprodukten mit geringerem Risiko.

Übersicht Staubkorngröße - Einteilung

In den nachfolgenden Abschnitten sind die aktuellen Arbeitsschutzvorschriften und einige Handlungshilfen für den Umgang mit Mineralwolledämmstoffen, Textilglasfaser- und Keramikfaserprodukten aufgeführt. Zusätzlich werden Hinweise zur Auswahl und Beschaffung dieser Informationen gegeben.

 

Mineralwolledämmstoffe

Dämm- und Isolierarbeiten

Fast sämtliche bis 1995 vermarkteten Mineralwolledämmstoffe setzen beim Umgang Faserstäube frei, die nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 9051 als krebserzeugend Kategorie 2 (K2) zu bewerten sind. Inzwischen werden flächendeckend Mineralwolledämmstoffe aus weniger biobeständigen Fasern angeboten. Diese für den Arbeitsschutz sehr positive Entwicklung wurde im Juni 1998 durch eine Ergänzung der Gefahrstoffverordnung (Anhang V Nr. 7 "Künstliche Mineralfasern 112) gestützt.

Der Anhang "Künstliche Mineralfasern" sieht eine Ersatzstoff- und Anzeigepflicht sowie besondere Arbeitsschutzmaßnahmen für KMF-Produkte vor, die nicht mindestens eines von drei genannten Kriterien für ein geringes gesundheitliches Risiko, z.B. einen Kanzerogenitätsindex KI über 40, erfüllen. Die Kriterien sind aus der TRGS 9051 abgeleitet und in der TRGS 9061 begründet. Die teilweise abweichende europäische Einstufung von "Mineralwolle" ist für den Arbeitsschutz derzeit hingegen von nachgeordneter Bedeutung.

Im Vordergrund der novellierten Gefahrstoffverordnung steht die Verpflichtung zur Verwendung von Produkten mit einem geringen gesundheitlichen Risiko. Viele KMF-Produkte, die eines der im Anhang genannten Kriterien erfüllen, sind inzwischen am "RAL-Gütezeichen" zu erkennen. Dieses wird durch eine Güteschutzgemeinschaft überwacht, die gleichzeitig auch eine "Positivliste" im Internet (www.mineralwolle.de) führt. Konkrete Produktinformationen enthält auch das Gefahrstoffinformationssystem WINGIS der Bau-Berufsgenossenschaften. Darüber hinaus gibt ein Bericht der BAuA und des Umweltbundesamtes: "Technische Maßnahmen zur Verminderung der Risiken durch Künstliche Mineralfasern sowie Anforderungen an mögliche Alternativen" auch Informationen zur Gesundheitsgefährdung durch andere Dämmstoff-Produkte.

Bei der Ausschreibung von Bauleistungen sollten bereits Vorgaben zur Verwendung von Produkten mit geringem gesundheitlichen Risiko gemacht werden, auch um spätere Aufwendungen für Arbeitsschutzmaßnahmen bei der Instandhaltung zu vermeiden. Formulierungshilfen enthält der Leitfaden "Künstliche Mineralfasern 116 des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI).

Die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen beschränken sich bei Mineralwollen mit einem geringen gesundheitlichen Risiko auf allgemeine Grundsätze zur Arbeitshygiene zum Schutz vor der mechanischen Reizung von Augen, Haut und Schleimhäuten durch dicke Fasern (TRGS 521, Abschnitt 5)1:

 

Verschmutzung der Arbeitsstätten so gering wie möglich halten

 

Arbeitskleidung, Schutzausrüstung, Hautpflege

Diese Maßnahmen entsprechen im übrigen den allgemein geltenden Mindeststandards für den Umgang mit chemischen Stoffen (TRGS 500)11.

Wenn in Ausnahmefällen z. B. aus technischen Gründen, die Verwendung von KMF-Produkten mit einem geringen gesundheitlichen Risiko nicht möglich ist, dann unterliegt der Umgang den besonderen Arbeitsschutzvorschriften des Anhang V Nr. 7 GefStoffV. Ein Grenzwert von 250.000 krit. Fasern/ml ist zu unterschreiten (TRGS 900)9, die Arbeiten müssen im Vorfeld bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde angezeigt werden (Musterformulare enthalten die Anlage 3 zur TRGS 521 und der LASI-Leitfaden 6).

 

Arbeiten an eingebauten Mineralwolle-Produkten

Die meisten vor 1995 hergestellten Mineralwolledämmstoffe setzen bei Instandhaltungsarbeiten und beim Entfernen Faserstäube frei, die nach TRGS 905 als krebserzeugend Kategorie 2 (K2) zu bewerten sind. Es sind besondere Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich, außer bei Arbeiten mit sehr geringer Faserstaubfreisetzung. Eine anders lautende europäische Einstufung von Mineralwolle nach der Richtlinie 97/69/EG ist für die Arbeitsschutzmassnahmen derzeit nicht ausschlaggebend.

 


Künstliche Mineralfasern -aktuelle Arbeitsschutzvorschriften und Handlungshilfen (Teil 2)

Umgang mit Produkten aus Textilglasfasern

Textilglasfasern sind gezogene Endlosfasern mit einem weitgehend konstanten Durchmesser, der in der Regel deutlich über 3 Mikrometer liegt. Glasfasern brechen bei Belastung vorwiegend quer zur Faser. Beim Umgang mit Produkten aus Textilglasfasern (u. a. Glasfasergewebe und -tapeten; glasfaserverstärkte Werkstoffe) ist daher - anders als bei den Mineralwollen - die Tendenz zur Bildung lungengängiger Faserstäube relativ gering (TRGS 901).

In der Regel dürften sich die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen auf die allgemeinen Grundsätze zur Arbeitshygiene zum Schutz vor der mechanischen Reizung von Augen, Haut und Schleimhäuten durch dicke Fasern beschränken (TRGS 521, Abschnitt 5). Werden jedoch bei Arbeiten, z. B. bei Schleifprozessen, Stäube freigesetzt, sollte durch eine mikroskopische Untersuchung sichergestellt werden, dass diese keine nennenswerten Anteile von lungengängigen Glasfaserstäuben enthalten.

In Ausnahmefällen kann für derartige Tätigkeiten eine quellenbezogene Emissionsminderung (z. B. Kapselung, lokale Absaugung) notwendig sein, da die typische chemische Zusammensetzung der Textilglasfasern zu einem KI unter 30 führt und freigesetzte Faserstäube somit als krebserzeugend Kategorie 2 (K2) zu behandeln sind.

Umgang mit Keramikfaserprodukten

Keramikfasern werden vor allem im Feuerfestbau, aber auch in anderen Hochtemperaturanwendungen eingesetzt. Sie sind zumeist aus Aluminiumsilikat (z. T. mit Zirkoniumoxidzusatz) hergestellt, können aber auch aus Aluminiumoxid oder Siliciumcarbid bestehen. Die üblicherweise weißen Keramikfaserprodukte (Glaswollen: gelb; Steinwollen: grau) enthalten häufig keine Bindemittel. Dies führt in Verbindung mit einem wesentlich höheren Anteil an dünnen Fasern zu einem deutlich ungünstigeren Verstaubungsverhalten als bei den Mineralwolledämmstoffen.

Die aus Keramikfasern freigesetzten Faserstäube sind nach TRGS 905 krebserzeugend Kategorie 2. Auch die EU hat glasige keramische Mineralfasern (Aluminiumsilikat) als krebserzeugend eingestuft (Richtlinie 97/69/EG). Die Stärke der krebserzeugenden Wirkung der Keramikfaserstäube ist nach vorliegenden toxikologischen Erkenntnissen mit der von Asbest vergleichbar (TRGS 906). Aufgrund des ungünstigen Verstaubungsverhaltens wird auch der - gegenüber anderen Faserstäuben - aus technischen Gründen z. T. auf 500.000 krit. Fasern/m² angehobene Luftgrenzwert (TRGS 900) derzeit an vielen Arbeitsplätzen nicht eingehalten (TRGS 901).

Wie für alle krebserzeugenden Gefahrstoffe gilt für Keramikfaserprodukte eine strenge Ersatzstoffpflicht nach Gefahrstoffverordnung. Für Anwendungen unter 1100 °C gibt es bereits eine Reihe von Ersatzlösungen mit geringerem gesundheitlichen Risiko. Entsprechende Beispiele und Produkte enthält die Broschüre" Keramikfaserprodukte: Ersatzstoffe, Ersatzverfahren, Schutzmaßnahmen" aus der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Auch für Anwendungen bei höheren Temperaturen (bis ca. 1250 °C) wurden in jüngster Zeit Produkte aus Hochtemperaturglasfasern mit gegenüber den Keramikfasern deutlich verminderter Biobeständigkeit entwickelt. Diese sollen die technischen Vorteile der Keramikfasern gegenüber den klassischen Feuerleichtsteinen und -betonen erhalten, d. h. die Möglichkeit für leichte, flexibel einsetzbare und energiesparende Industrieöfen. Die Hochtemperaturglasfasern sind bereits kommerziell erhältlich und werden z.Z. in verschiedenen Anwendungen getestet.

Strenge Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem 6. Abschnitt der Gefahrstoffverordnung in Verbindung mit TRGS 521 Abschnitt 4 sind zu treffen, wenn Keramikfaserprodukte nicht ersetzt werden können. Die Belastung mit Faserstäuben muss auf das geringste technisch mögliche Niveau verringert werden. Dieses erfordert nicht nur sorgfältigstes, staubarmes Arbeiten, sondern auch z.T. aufwendige technische Maßnahmen (Teileinhausung, Abschottung, lokale Absaugung, Wassersprühnebel, Industriestaubsauger). Die Anlage 2 zur TRGS 521 empfiehlt eine generelle Verwendung von Atemschutz (mindestens FFP2) auch bei Unterschreitung des Luftgrenzwertes. Bei Überschreitung sind hochwertige Atemschutzmasken (FFP3, besser gebläseunterstützte Masken TM2P oder TH3P) und staubdichte Einwegschutzanzüge vorgeschrieben. Die Arbeiten unterliegen der Anzeigepflicht, dies sollte aber auch als Chance zur Kontaktaufnahme mit der zuständigen Arbeitsschutzbehörde oder Berufsgenossenschaft gesehen werden. Auch die Schrift "Keramikfaserprodukte" der RAuA enthält praktische Hinweise zum Arbeitsschutz bei verschiedenen Tätigkeiten.

Bezugsquellen

 

 

Ansprechpartner:
Dipl.-Chem. Dr. Rolf Packroff
Gruppe AS 2.3 "Umgang mit Chemikalien"
Tel.: (0231) 9071-591
internet: www.baua.de

Hinweis aus der BAuA-Redaktion: Nachdruck  - auch auszugsweise - erwünscht, aber nur mit Quellenangabe gestattet. ISSN 0177-3062 (

 


Anmerkungen: